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Utklippan 2018 – Nach dem Sturm ist vor dem Sturm

Kurs Utklippan:

Ein winziges Eiland vor der schwedischen Südküste, eigentlich nicht mehr als zwei Felsen mitten im Nirgendwo. Winzige Felsen. Gelegen rund 30 Meilen südlich von Karlskrona, unter Seglern bekannt als Absprung in die Welt der südlichen Schären und berüchtigt wegen seiner Funktion als Nothafen – Ansprüche auf Komfort sollte man hier von vornherein vergessen. Es gibt hier nur einen Leuchtturm, einen freundlichen Hafenmeister, Eiderenten, Seehunde, Möwen, Molche und Eidechsen. Sonst nichts.

Für uns jedoch ein guter Grund, genau deshalb nach einem entspannten Sommertag im urbanen Allinge an der Bornholmer Nordküste wieder die Segel zu setzen und dieses Nichts mit dem klangvollen Namen anzusteuern. Vor uns lag ein etwa 10-stündiger Törn in bisher unbekanntes Gewässer. Zwei Tage zuvor hatten wir bei guten 6 Bf den Törn von Roenne nach Allinge gemeistert. Der Wetterbericht versprach uns im späteren Tagesverlauf zwar ähnliche Windstärken, vielleicht sogar etwas mehr, aber das Sturmtief sollte eben erst am Abend auf unserer Breite eintreffen. Bis dahin wollten wir ja schon da sein.

Vor Einbruch des Sturms da sein …

Gesagt, getan: Ein stetiger Südwest- bis Westwind in Stärke 4-5 trieb uns flott voran, die knapp 50 sm hätten ein reines Segelvergnügen werden können – doch eingebettete Schauer bremsten den Spaß erheblich. Egal. Utklippan (Wikipedia) wartete auf uns. Eine schöne lange Welle von achtern, die gurgelnd unter uns durch lief und die Sicherheit, vor Einbruch des Sturms Utklippan zu erreichen, entschädigten uns schließlich für die eine oder andere Dusche.

Mit guten 5-6 kn pro Stunde näherten wir uns der Insel, immer zuversichtlicher, dass wir rechtzeitig den Hafen erreichen würden. Viel Zeit, die Fantasie fliegen zu lassen: Was würde uns erwarten? Charteryachten eher nicht. Eine zusammengewürfelte Chartercrew bevorzugt in der Regel das volle Verwöhnprogramm. Zuvorderst natürlich W-lan, Einkaufsmöglichkeiten, Souvenirläden, Sanitäranlagen in gehobenem Standard samt frisch gekachelten Bädern, heißen Duschen und Wellnessbereich und optionaler Sauna.

Freiheit, Abenteuer und echte Seemannschaft…

Unsere Gedanken gingen an diesem Tag definitiv in eine andere Richtung. Das einfache, puristische Erlebnis war das Ziel. Ein Leben als Vagabund der Meere, wie es eines Jack London würdig wäre. Utklippan, das klang so fremd, so nordisch, wie ein nicht eingelöstes Versprechen auf Freiheit, Abenteuer, auf echte Seemannschaft und ein unverfälschtes Naturerlebnis mit offenem Ausgang. Mindestens.

Getragen von tiefer Zufriedenheit und begleitet von einem wundervollen Farbspiel, das die inzwischen tiefer stehende Sonne auf die aufgewühlte See zauberte, erreichten wir tatsächlich noch vor dem Abend – und vor dem Sturm – Utklippan.  Der alte Leuchtturm wies uns etwa  vier Meilen lang den Weg. Durch den westlichen der beiden Vorhäfen – Utklippan ist tatsächlich von zwei Seiten ansteuerbar – gelangten wir in das spartanische Hafenbecken: Ein aus dem Fels heraus gesprengter, rechteckiger Schutz mit schroffen, abweisenden Betonpiers und ein paar eisernen Festmachern.

Die bevorzugte Luvseite des Hafens fanden wir leider belegt, viel Zeit, um Platz zu fragen, war tatsächlich auch nicht, und so landeten wir auf der unruhigen Leeseite des Hafens, die immerhin durch alte Autoreifen gut abgesichert war. Wie erwartet fand sich keine einzige Charteryacht im Becken, sondern ausschließlich Eigneryachten wie die Cloud 7 auf der Luvseite. Die Crew der Cloud 7 hatten wir schon in Allinge getroffen, eine nette Eignergemeinschaft und genauso verrückt wie wir.

…und zwei verwegene Segler!

Kurz bevor der der Sturm zum Sonnenuntergang mit voller Stärke losbrach, erreichte noch eine etwas angetagte Gfk-Yacht von vielleicht 40 Fuß den Hafen, sie dürfte so um die 25 Jahre alte gewesen sein – die beiden verwegenen Segler darauf wiesen mindestens das Dreifache an Jahren in ihrer Biografie aus. Ohne einen Fender auf der richtigen Seite, ohne vorbereitete Festmacher, dafür aber mit viel Zuversicht und tatkräftiger Unterstützung des Hafenmeisters, der das Schiff mit einem dicken Schlauchboot und noch fetterem Motor gegen die Kaimauer drückte, brachten die beiden alten Burschen die schwere Yacht schließlich zum Stillstand. Jens, Smutje und erster Offizier der CARIBIA, hatte in zwischen mit ein paar beherzten Sprüngen tatkräftig vorn und achtern schon mal Leinen über gebracht.

Am nächsten Morgen, bei immer noch fünf Windstärken und reichlich alter Welle, liefen die beiden wieder aus, während wir uns für einen weiteren Tag auf Utklippan entschieden. Mögen sie immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel haben.

Skipper Olson